Jubilarin Daniela Krien
Eine der bedeutendsten deutschen Schriftstellerinnen der Gegenwart entdecken
Es gibt Autor*innen und Bücher, von denen man bereits viel gehört, aber selbst noch nichts gelesen hat. So ging es mir mit Daniela Krien. Doch ihr diesjähriges Jubiläum – sie wurde am 25. August 2025 50 Jahre alt – war für mich der perfekte Anlass, das zu ändern. Und so möchte ich hier von meiner Leseerfahrung mit zwei ihrer bei Diogenes erschienenen Romane berichten: Die Liebe im Ernstfall (2019) und Mein drittes Leben (2024). Diese Bücher sind nicht nur optisch durch ihre Cover, sondern auch inhaltlich tief miteinander verbunden, und das nicht nur, weil sie beide in Leipzig spielen.
Vorweg sei gesagt: Bei Daniela Krien geht es um das Wesentliche, um die großen Fragen des Lebens, um den Ernstfall, wenn das Schicksal zuschlägt. Wer ihre Biografie kennt – dass sie den Verlust eines gesunden Kindes (durch Impfschaden) erlebt hat und mit einer schwerbehinderten Tochter ein neues Leben begonnen hat zu gestalten – wird ihre Romane als zutiefst authentische Schöpfungen lesen.
Die Liebe im Ernstfall: Fünf Frauen und die Tat der Liebe
Die Liebe im Ernstfall erzählt von fünf sehr unterschiedlichen Frauen, deren Lebenswege sich kreuzen und die alle auf ihre eigene Weise nach Liebe, Glück und Selbstbestimmung suchen. Jeder dieser Frauen ist ein Kapitel gewidmet; im 3. Kapitel geht es um die Schriftstellerin Brida, die den Kerngedanken des Buches auf den Punkt bringt:
“Liebe ist kein Gefühl. / Liebe ist keine Romantik. / Liebe ist eine Tat. / Man muss die Liebe vom Ernstfall aus betrachten.”
Und im Ernstfall sieht sich Brida allein gelassen. Denn Götz, der Vater ihrer Kinder, steht mittlerweile an der Seite seiner neuen Partnerin.
Mein drittes Leben: Trauer, Tiefe und ein Trotzdem
Brida sowie die Ärztin Judith aus Die Liebe im Ernstfall tauchen als Nebencharaktere auch in Mein drittes Leben auf, dessen Ernstfall der “Tod des eigenen Kindes” ist.
Hier erzählt Daniela Krien die Geschichte von Linda, die mit dem plötzlichen Verlust ihrer einzigen Tochter Sonja fertigwerden muss. Sonja wird auf dem Fahrrad im Alter von 17 Jahren von einem rechtsabbiegenden LKW erfasst und stirbt bei dem Unfall.
“(...) darüber kommt man nie hinweg.”, sagt Lindas spätere Nachbarin über den Verlust des eigenen Kindes, das “vor einem halben Jahrhundert” gestorben ist. “Kann man wieder glücklich werden?”, fragt Linda darauf. “Ja”, sagt die Nachbarin. “Aber es ist eine andere Art von Glück. Wie soll ich sagen … Es hat Tiefe, aber keine Leichtigkeit.”
Dieser letzte Satz bringt Kriens Roman auf den Punkt. Er hat eine ungeheure Tiefe, wenn wir mit Linda im Tal der Trauer sind; Linda, die ein maßloses Leiden wie ihres selbst als unerträglich beschreibt. Und doch gibt es ein Trotzdem. Die Hündin Kaja auf dem Hof außerhalb von Leipzig, auf den sie sich zurückgezogen hat, sowie die Hühner und Pflanzen dort, halten sie am (Über-)Leben. Die Hündin ist es, die den Kontakt zu Nine und ihrer Mutter herstellt, die zu wichtigen Menschen in Lindas drittem Leben werden. Linda selbst ist es, die ihre neue Freundin aufrichtet, als diese wegen der Betreuung ihrer behinderten Tochter am Verzweifeln ist: “Du hast eine tolle Tochter, und es gibt einen Weg. Es gibt immer einen Weg”, versichert Linda.
Die titelgebenden drei Leben – das glückliche Leben vor dem Verlust, das Leben in der “Schockstarre” der Trauer auf dem Land und schließlich das neue, von Mitempfinden und Demut geprägte Leben – bilden die klare Struktur des Romans. Insbesondere die Heilung durch die Arbeit mit der Natur und die unaufgeregte Solidarität im Dorf markieren Lindas langsame Rückkehr zu sich selbst und in ihr “drittes Leben”.
Daniela Kriens Sprache ist schonungslos und klar. Ihr Roman hat mich tief berührt und die Fragen nach Vergänglichkeit, Sinn und Liebe haben mich auch nach dem Lesen sehr beschäftigt. Mit dem Wissen um Daniela Kriens eigene Biografie kommt man nicht umhin, bei der Thematik der existenziellen Trauer und des Weiterlebens in Mein drittes Leben ihre eigene Erfahrung als Mutter einer schwerbehinderten Tochter zu spüren.
Habt ihr bereits Romane von Daniela Krien gelesen? Wie war eure Leseerfahrung?
Ich bin gespannt und freue mich von euch zu hören.
Ahoi & alles Gute,




Diese beiden Romane waren auch meine ersten von ihr und ich habe sie auch sehr gemocht, vor allem wegen der sensiblen, eindringlichen Sprache, die lange nachhallt. Jetzt liegt auf meinem Tisch ihr DebütRoman „Irgendwann werden wir uns alles erzählen“ und ich bin sehr gespannt.